Den Kapps-Kindergarten haben wir 2001 gebaut. Wir haben damals festgestellt, dass in der Schwarzensiedlung in der Nähe unseres Hauses sehr viele Kinder jeden Alters sind, die offensichtlich keine Schule besuchen. Wir zogen Erkundigungen ein und erfuhren, dass diese Siedlung keinen Anschluss an die öffentlichen Verkehrsmittel hat, so dass die Kinder keine Möglichkeit haben, mit dem Bus in den Kindergarten oder die Schule zu kommen. Die einzige Möglichkeit für diese Leute ist per Anhalter zu fahren, was in Namibia bedeutet, dass die Fahrt zu bezahlen ist, in diesem Fall etwa 10 Namibia-Dollar für die Fahrt bis nach Windhoek. Von dort aus nach Katutura zu kommen kostet mit dem Taxi nochmals 7,50 N$. Eine Fahrt zur Schule und zurück würde pro Tag 35 N$ kosten, bei fünf Schultagen pro Woche sind das 175 N$ oder 700 N$ im Monat. So viel verdient ein Arbeiter im Monat oft nicht, und er hat ja meist nicht nur ein Kind. Außerdem werden die Kinder in Namibia nur in die Schule aufgenommen, wenn sie Englisch sprechen. Dies können in der Siedlung die wenigsten Erwachsenen, also woher sollen es die Kinder können?
Wir haben deshalb einen Kindergarten nach dem Vorbild von Katutura aufgebaut, ein bis zwei Frauen sollten sich um die Kinder kümmern. Eine davon war Angelika. Sie hat eine recht gute Schulbildung genossen und spricht gut Englisch. Angelika sollte also den Kindergarten übernehmen, und zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes von den Eltern ein Kindergartenbeitrag einziehen. Dieses System hat in Kapps aber nie funktioniert. Setzten wir die Eltern unter Druck, damit sie ihre ausstehenden Gebühren bezahlen, schickten sie ihre Kinder nicht mehr in den Kindergarten. Nach einiger Zeit fanden wir den Grund für die Nichtzahlung heraus: In dem Dorf sind nicht die typischen Großfamilien vertreten, sondern nur einzelne, kleine Gruppen. Normalerweise teilt der, der gerade Geld hat, es mit den anderen und ernährt so die ganze Sippe. Da viele in dem Dorf arbeitslos sind und sich nicht gegenseitig unterstützen, war eine regelmäßige Bezahlung der Gebühren nicht zu erwarten. Das Dorf ist insgesamt schwierig. Viele Männer und Frauen sind morgens schon betrunken, sie trinken selbstgebrautes „Bier“ aus Maismehl und Zucker, die Kriminalität ist hoch, Messerstechereien an der Tagesordnung, wobei nicht nur die Männer, sondern auch die Frauen sehr gewalttätig sein können. Bei vielen Einbrüchen, Überfällen und Räubereien in der Gegend führen die Spuren ins Dorf und verschwinden dort.. nicht einmal die Polizei traut sich normalerweise in das Dorf. Was soll in diesem Umfeld aus den Kindern werden?
Wir bauten, um den Kindern eine Chance zu bieten, den Kindergarten. Da die Zahlungsmoral der Eltern von Anfang an schlecht war, zahlten wir den Lohn von Angelika und später auch der Personen, die ihr kochen halfen.
Mit diesem Kindergarten gibt es seit Jahren ein Auf und Ab, viele Sorgen, Ärger, Unstimmigkeiten und Personalwechseln. In den Kindergarten wurde eingebrochen, Essen wurde gestohlen, aber insgesamt war die Entwicklung positiv. Am Ende des ersten Kindergartenjahres schulten wir Kinder von 7-12 Jahren ein. Wir konnten alle in der Internatsschule in Aris unterbringen, weil der Verein die Schulgebühren der Kinder übernahm, die Schule damit also sicher war, Einkünfte zu haben. Die Eltern der Kinder waren weiterhin nicht in der Lage oder bereit, für die Kinder zu bezahlen. Dank der Hilfe durch Ihre Spenden konnten wir einspringen, denn was nützt der beste Kindergarten, wenn keine Schule folgt?
Inzwischen besuchen 51 Kinder aus dem Dorf die Aris-Schule, weitere 13 die Blouwkrans-Internatsschule. Die ersten haben die Hauptschule abgeschlossen und sind in der Stadt Rehoboth auf der Realschule. Es freut uns sehr zu sehen, dass einer davon, Kelvin, der beste Schüler seiner Klasse ist, er hat sogar eine Belobigung bekommen. Die anderen beiden Kinder sind aber auch gute Schüler.
Zur Zeit sind 36 Kinder im Kapps-Kindergarten, bei 2/3 davon sind die Eltern arbeitslos. Für diese Kinder ist das Essen, welches sie im Kindergarten bekommen, oft das Einzige.
Im April arbeiteten im Kapps-Kindergarten 3 Frauen, Rotty, die als Leiterin den schulischen Bereich unter sich hat, Sentika, die für die Küche und das Saubermachen zuständig ist, und Napolina, die sowohl Rotty als auch Sentika zur Hand gehen sollte, vor allem aber für Rotty einspringen sollte, wenn deren beantragte Weiterbildung zur Erzieherin endlich stattfinden kann. Napolina entwickelte allerdings, vielleicht auch durch das regelmäßige Gehalt, ein Alkoholproblem, wir mussten ihr Ende Juli kündigen. Rotty und Sentika arbeiten aber gut zusammen und wir sind zufrieden mit ihrer Arbeit. Für die Frauen ist ein regelmäßiges Gehalt noch etwas Neues, sie wollen sich oft sofort „alles“ davon kaufen. Wir versuchen auch hier zu unterstützen und sie von zu großen Anschaffungen, die sie finanziell überfordern würden, abzuhalten.
Da die Zeit vergeht und wir die Kinder von gleichauf kennen erleben wir vieles. Aus den Kindern werden Teenager, was eigene Probleme mit sich bringt. So haben wir lange überlegt, wie wir Schwangerschaften der jungen Mädchen verhindern können. Aufgeklärt sind laut Rotty alle. Die Pille für alle zu zahlen wäre zu teuer. Eine Diskussion mit den erwachsenen Frauen war schwierig, eine sagte aber, dass eine 3-Monats-Spritze kostenlos wäre, und erklärte sich bereit, mit den Mädchen zu sprechen und mit ihnen zum Arzt zu gehen. Was würde es nutzen, die Mädchen auszubilden, wenn sie mit 14 schwanger werden?
Wir sind sehr nah an der Bevölkerung des Dorfs, und durch die lange Zeit dort können wir uns selbstverständlich dort bewegen. Wir kennen die meisten Erwachsenen und alle Kinder. Das hat nicht immer verhindert, dass auch unser Haus angegriffen wurde, aber inzwischen ist Ruhe eingekehrt. Dazuhin haben wir – nicht über den Verein, sondern über Bekannte in einem deutschen Fußballverein – den „Fußballverein“ des Dorfes gesponsort, mit gebrauchten Trikots und Hosen. Nur am letzten Freitag des Monats gehen wir nicht ins Dorf, das ist traditionell der Zahltag, der Lohn wird noch bar ausbezahlt, viele Männer und Frauen sind dann nicht mehr berechenbar. Übrigens: Auch Frauen wie Rotty und Sentika gehen nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr aus dem Dorf, sie schließen sich ein. Bald soll es eine Polizeistation in Kapps geben, wir hoffen, dass sich die Lage dann weiter beruhigt.
Wir hoffen, dass die Kinder einen anderen Weg einschlagen als ihre Eltern, dank der Bildung, die Ihre Spenden ermöglichen. Die weißen Namibier in der Gegend waren zum Teil gegen unsere Arbeit und haben uns belächelt, „Laß die Schwarzen wie sie sind, je dümmer, desto besser“, das mußten wir uns öfter anhören. Aber das hat aufgehört. Inzwischen sieht man auch dort, dass die Verwahrlosung der Kinder aufgehört hat, daß sie eine Grunddisziplin gelernt haben, schon indem sie jeden Tag in den Kindergarten gehen. 64 Schulkinder und 36 Kindergartenkinder sind weg von der Strasse, wir finden, das ist ein Erfolg.